Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Lycinus. Hingegen – und nun beschwöre ich dich bei den Gratien, sage mir die Wahrheit – hast du jemals einen Stoiker und einen Epikuräer beisammen getroffen, die sich nicht über die letzten Ursachen und Endzwecke der Dinge gezankt hätten?

Hermotimus. Niemals, ich gestehe es.

Lycinus. Nun siehst du, guter Freund, wie du mich, deinen alten Cameraden, mit Trugschlüssen zu hintergehen suchst? Wir untersuchen, welche philosophische Schule auf dem wahren Wege sey; da nimmst du das Ergebniß vorweg, und räumst den gesuchten Vorzug den Stoikern ein, weil sie es seyen, die zweimal zwei für viere gäben: und doch ist eben dieß nichts weniger als ausgemacht. Denn die Epikuräer und Platoniker sagen, sie wären’s, die so rechneten, ihr hingegen brächtet fünf und sieben heraus. Oder ist es nicht dasselbe, wenn ihr behauptet, das Sittlichschöne sey das einzige Gut, während die Epikuräer nur das Angenehme dafür gelten lassen? oder wenn ihr sagt, Alles, was ist, sey körperlich, wogegen Plato auch etwas Unkörperliches an den Dingen annimmt? Aber, wie gesagt, du hast, etwas zu anmaßlich, eben das, was noch in Frage steht, als ausgemacht angenommen, und deinen Stoikern etwas als unbestrittenen Besitz zugesprochen, woran die Uebrigen nicht minder lebhafte Ansprüche machen. Das ist’s, was mir eine besonders vorsichtige Untersuchung zu erfordern scheint. Zeigte sich’s, daß der Satz: zweimal zwei macht vier, ganz allein den Stoikern angehört, so müßten freilich die Andern schweigen; allein, so lange man eben über diesen Punkt sich streitet, haben wir entweder allen Parteien Gehör zu geben,

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0550.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)