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Lycinus. Ah, mein lieber Hermotimus, du machst es also auch, wie die Uebrigen? Dasselbe würde mir ein Nachwandler Plato’s, oder Epikur’s oder irgend eines andern großen Weisen sagen: Jeder würde mich versichern, ich könne mit Niemand Anderem, als mit ihm, nach Corinth gelangen. Also bliebe mir nichts übrig, als entweder Allen zu glauben, oder dem Einen wie dem Anderen zu mißtrauen. So lächerlich das Erstere wäre, so räthlich ist das Letztere, bis wir den Mann gefunden haben, der uns das Wahre verspricht.

29. Doch denke dir den Fall, ich wählte in meiner jetzigen Lage, wo ich noch nicht weiß, welchem von Allen ich zu glauben habe, euern Weg aus Zutrauen zu dir, weil du mein Freund bist, wiewohl du blos den stoischen Weg kennst und noch keinen andern betreten hast; und nun käme es irgend einer Gottheit ein, den Plato, Pythagoras, Aristoteles und die übrigen Meister in’s Leben zurückzurufen, und sie kämen Alle auf mich zu, belangten mich wegen verächtlicher Behandlung, stellten ein ordentliches, peinliches Verhör mit mir an, und sprächen: „Was kam dir zu Sinne, Lycinus, oder von wem hast du dich bereden lassen, Leute von gestern her, einen Chrysippus und Zeno uns viel ältern Meistern vorzuziehen, ohne auch nur ein Wort mit uns gewechselt und unsere Lehren im mindesten geprüft zu haben?“ Wenn sie so sprächen, was könnte ich ihnen antworten? Würde ich damit ausreichen, wenn ich sagte: „Ich folgte meinem Freunde Hermotimus?“ Ist mir doch, als ob ich sie erwiedern hörte: „Wir wissen von keinem Hermotimus: wir kennen den Menschen so wenig, als er uns kennt; du

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0543.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)