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Wort, das zwar gleichfalls von guter Vorbedeutung, allein, in jener Morgenstunde, doch so gar nicht am rechten Orte war![1] Kaum war daher das ὑγίαινε über meine Lippen, so brach mir der Angstschweiß aus, ich wurde abwechselnd roth und blaß, kurz, ich wußte mir vor Verlegenheit gar nicht zu helfen. Die Umstehenden mochten gedacht haben, ich wäre nicht recht bei Troste, oder fange aus Altersschwäche zu faseln an, oder gar, der Wein von gestern spreche noch aus mir. Nur du warest so schonend, mir auch nicht durch das leiseste Lächeln merken zu lassen, daß dir diese Uebereilung meiner Zunge aufgefallen sey. Da wußte ich nichts Besseres zu thun, als eine Art von Trostschrift für mich selbst aufzusetzen, um mir das Unerträgliche des Gedankens aus dem Sinne zu schlagen, daß ich alter Mann vor so vielen Zeugen einen so groben Verstoß gegen die gute Sitte begangen haben soll. Einer förmlichen Apologie hingegen bedarf es, glaube ich, in diesem Falle nicht, da es ja nur meine Zunge gewesen, welcher ein Wunsch entschlüpfte, der (zwar


  1. Des Morgens und bei’m Eintritt pflegten die Griechen mit χαῖρε (eigentl. freue dich) zu grüßen, bei’m Abschied aber, und besonders des Abends, sich ὑγίαινε (sey gesund) zuzurufen. Was übrigens unserm Schriftsteller diese, vielleicht an den Präfekten von Aegypten selbst gerichtete, Schutzrede (welche für den deutschen Leser nicht eben großes Interesse haben dürfte) abnöthigte, war wohl der Umstand, daß die Alten, Vornehme wie das Volk, mit ängstlichem Aberglauben auf herkömmliche Formeln hielten, und jede Verletzung derselben ihre Furcht vor bösen Vorbedeutungen rege machte.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 498. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0498.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)