Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wie eine ausgelernte Buhlerin[1] ihren unglücklich schmachtenden Liebhaber behandelt. Sie begegnet ihm mit Stolz, und um ihn, wo möglich, immer in seiner verliebten Sclaverei zu erhalten, gewährt sie ihm nicht einmal die Gunstbezeugung des leichtesten Kusses. Denn zu klug, um nicht zu wissen, daß mit dem Genusse das Verliebtseyn aufhört, weiß sie dieser Entzauberung sorgfältig zu begegnen, und ihren Anbeter mit steter Hoffnung hinzuhalten. Um aber nicht befürchten zu müssen, der Arme möchte des ewigen Hoffens überdrüssig und von seinem Liebessehnen am Ende geheilt werden, beglückt sie ihn zuweilen mit einem süßlächelnden Blick und mit dem widerholten Versprechen, nun nächstens ihn zu erhören und seine Treue auf’s Köstlichste zu belohnen. Allein mittlerweise schleicht die Zeit dahin, und die Jahre nahen unvermerkt, wo Liebe so wenig als Gewährung von Werth ist: und nun – mit was Anderem, als mit Hoffen hat der Unglückliche sein ganzes Leben hingebracht?

8. Immerhin können wir das Verlangen nicht anklagen, so angenehm als möglich zu leben, und sollte es auch noch so viele Opfer kosten: und Wer wollte es dem Freunde des Vergnügens verargen, wenn er auf alle Weise sich dasselbe zu verschaffen sucht? Wiewohl es jedenfalls eine gemeine und sclavische Denkungsart verriethe, um des Vergnügens willen sogar sich selbst zu verkaufen, indem der Genuß der Freiheit immer ein weit süßerer ist: so ließe sich doch zur Noth auch dieser Schritt entschuldigen, im Falle der Zweck


  1. Das Original spricht, more graeco, von einer männlichen Kokette.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0447.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)