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Micyllus. Höre, beste der Parzen! Die Gnade, welche der Cyclop dem Ulysses versprach, daß er ihn zuletzt auffressen wolle,[1] dünkt mich eine klägliche Vergünstigung: die Zähne sind dieselben, man werde zuerst oder zuletzt von ihnen zerfleischt. Nun aber befinde ich mich in einem ganz andern Falle, als die Reichen. Ihr Leben und mein Leben stehen im geradesten Gegensatze zu einander. Wenn ein Fürst, der auf der Welt für glücklich galt, in höchstem Ansehen stand und allgemein gefürchtet wurde, wenn Dieser sein vieles Gold und Silber, seine Prachtgewänder, seine Pferde, seine kostbare Tafel, seine blühenden Knaben und reizenden Weiber zurücklassen soll, ist es ein Wunder, wenn er jammert, und von seinen Herrlichkeiten nur mit Schmerzen sich losreißt? Seine Seele hängt an diesen Dingen, wie der Vogel an der Leimruthe; ja es ist, als ob sie lange schon mit ihnen verwachsen, als ob ein unzerreißliches Band wäre, das sie fesselt. Wird nun ein Solcher mit Gewalt davon geführt, so wehklagt und fleht er, und zeigt sich bei’m Anblick des Weges in die Unterwelt eben so zaghaft, als er sonst brutal gewesen war. Immer wendet er sich um, und möchte, was er auf der Welt zurückließ, wie unglücklich Liebende den Gegenstand ihrer Sehnsucht, wenn auch nur aus der Ferne erblicken. Gerade so machte es auch dieser Narr da, der unterweges sogar ausreißen, und hier mit Bitten dich erweichen wollte.

15. Ich hingegen, der ich auf Erden kein Pfand meiner Anhänglichkeit, keine Aecker, kein eigen Haus, kein Gold,


  1. Odyss. IX, 369.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0426.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)