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8. Charon. Sage mir also:

Wer ist der Sterbliche dort, dickleibig, groß und gewaltig,
Höher denn alles Volk an Haupt und mächtigen Schultern?[1]

Merkur. Das ist der Athlete Milo aus Croton: eben klatschen ihm die Griechen Beifall zu, weil er einen Ochsen auf seinen Schultern mitten durch das Stadium trug.

Charon. Aber wie viel größern Beifall werde ich verdienen, Merkur, der ich dir nun nächstens diesen Milo selbst auspacken und in meine Fähre legen werde, wenn er überwältigt von dem unbezwinglichsten aller Gegner, dem Tod, bei uns erscheinen wird, ohne begreifen zu können, wie Jener ihm ein Bein unterschlagen konnte? Das wird ein Jammer seyn, wenn ihm dieß Beifallklatschen und seine Siegerkränze einfallen werden! Jetzt freilich, so lange er sich wegen seines Ochsentragens anstaunen läßt, bildet er sich gewaltig viel ein. Sollte man wirklich glauben, Merkur, diesem Mann könne der Gedanken kommen, daß er einmal sterben werde?

Merkur. Wie wäre es auch möglich, in dieser kräftigen Blüthe an den Tod zu denken?

Charon. Laß ihn! Er wird uns bald genug was zu lachen geben, wenn er keine Mücke mehr, geschweige einen Ochsen zu tragen im Stande seyn wird. Aber sage mir nun auch, wer der majestätische Mann dort ist? Seinem Gewande nach ist er kein Grieche.


  1. Nach Iliade III, 226.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0314.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)