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geraden und sichern Lebensweg zu zeigen. Ich hätte mir freilich nicht träumen lassen, daß ich, wie das Sprüchwort sagt, aus dem Regen in die Traufe kommen würde. Allein, kaum hatte ich mich näher mit ihnen bekannt gemacht, als ich hier erst Unwissenheit und Ungewißheit in Fülle fand, so daß die Handlungsweise des gemeinen Mannes mir eine goldene Richtschnur im Vergleiche mit derjenigen zu seyn schien, welche mir jene Philosophen vorzeichneten. Der Eine derselben lehrte, die Lust wäre der Inbegriff aller Glückseligkeit: um diese hätte man sich einzig und allein, und auf alle Weise zu bemühen. Ein Anderer behauptete, Mühe und Arbeit sey das Höchste; man müsse den Leib zähmen, Schmutz und Unsauberkeit nicht achten, und recht ungefällig und grob gegen die Leute seyn: dabei leyerte er einem unaufhörlich die abgedroschene Stelle des Hesiod[1] von dem Schweiße und dem mühevollen Pfade vor, der zur Höhe der Tugend führe. Wieder ein Anderer gebot, das Geld zu verachten, und seine Besitz für etwas Gleichgültiges zu halten. Ein Vierter aber suchte zu zeigen, daß auch der Reichthum unter die Güter zu zählen sey. Ihre Meinungen über das Weltall mag ich gar nicht erwähnen, da ich die Ausdrücke Ideen, unkörperliche Dinge, Atome, leeren Raum und einen ganzen Schwarm ähnlicher Worte tagtäglich und so bis zum Ueberdruß oft zu hören bekam, daß mir ganz übel ward. Das Allertollste aber war, daß sie die entgegengesetztesten Behauptungen aufstellten, und Jeder für die seinige so siegreiche und überzeugende Gründe vorzubringen wußte, daß, wenn


  1. Hes. Werke und Tage v. 287. ff.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0290.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)