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XVIII. Menippus und Merkur.

1. Menippus. Wo sind denn jene berühmten männlichen und weiblichen Schönheiten, Merkur? Mache mich neuen Ankömmling hier unten doch ein wenig bekannt.

Merkur. Ich habe keine Zeit dazu, guter Menippus: aber siehe dort rechts sind Hyacinth, Narciß, Nireus, Achilles, Tyro, Helena, Leda, kurz alle Schönheiten des Alterthums beisammen.

Menippus. Ich sehe nur nackte Gerippe und Schädel, von denen Einer aussieht wie der Andere.

Merkur. Gleichwohl sind diese Gerippe, von denen du so verächtlich sprichst, noch immer die Bewunderung aller Dichter.

Menippus. Zeige mir doch einmal die Helena; ich wüßte sie nicht herauszufinden.

Merkur. Dieser Schädel da ist Helena.

2. Menippus. Also um dieses Gebeines willen wurden tausend Schiffe aus dem ganzen Griechenland bemannt, so viele Tausend Griechen und Asiaten erschlagen, und so manche Stadt dem Boden gleich gemacht?

Merkur. Du hättest dieses Weib bei ihren Lebzeiten sehen sollen, Menipp: gewiß, du hättest diejenigen nicht getadelt,

Die um ein solches Weib so lang’ ausharrten im Elend[1].

Blumen, die in ihrer Blüthe und mit ihrem Farbenschmucke noch so schön waren, erscheinen häßlich, wenn sie verdorrt sind, und der frische Schmelz der Farben verschwunden ist.

Anmerkungen

  1. Iliade III, 157. nach Voß.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. Stuttgart: J. B. Metzler, 1827–1832, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0254.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)