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XII. Danaë.
Doris. Thetis.

1. Doris. Was weinst du, meine Thetis?

Thetis. Ach Doris, ich sah ein wunderschönes Mädchen mit ihrem neugebornen Kinde; beide ließ der Vater des Mädchens in einen Kasten legen, und befahl den Schiffern, mit demselben auf die hohe See zu fahren, und ihn in weiter Entfernung vom Lande über Bord zu werfen, damit die unglückliche Mutter mit ihrem Säuglinge umkommen möchte.

Doris. Und warum denn, liebe Schwester? Sage mir’s doch, wenn du die Sache so genau weißt.

Thetis. Acrisius, ihr Vater, hatte sie, da sie außerordentlich schön war, in ein ehernes Gemach eingesperrt, um ihre jungfräulichen Reize zu bewahren. Da soll Jupiter – ob es wahr ist, weiß ich nicht – sich in Gold verwandelt haben, und durch’s Dach zu ihr herabgeflossen seyn. Sie hätte den herabrinnenden Gott in ihren Schooß aufgenommen und wäre schwanger geworden. Der Vater aber, ein hitziger argwöhnischer Alter, gerieth, als er es gemerkt, in den äußersten Zorn, in der Meinung, sie wäre von irgend einem entehrt worden, und steckte sie, nachdem sie kaum geboren hatte, in den Kasten.

2. Doris. Aber wie benahm sie sich, als sie in’s Meer hinabgelassen wurde?

Thetis. Ueber ihr eigenes Schicksal äußerte sie kein Wort, und fügte sich in ihre Verurtheilung: aber flehentlich bat sie für das Leben ihres Söhnchens, und zeigte weinend

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0200.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)