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verführen wollen? Ich vermuthe so etwas, weil du mir es nicht sagen willst.

Juno. Mich, mich selbst und keine Andere hat er verführen wollen, Jupiter, und das schon eine geraume Zeit her. Anfangs verstand ich gar nicht, warum er mich so unverwandt ansah, und seufzte, und Thränen in den Augen hatte. Wenn ich dem Ganymed den Becher, aus dem ich getrunken hatte, zurückgab, so verlangte er aus eben demselben zu trinken, und wenn er ihn bekam, küßte er ihn, hielt ihn an die Augen, und blickte dabei immer nach mir herüber. Nun fing ich an zu merken, daß der Mensch verliebt ist. Lange schämte ich mich, es dir zu sagen, und glaubte immer, er würde von selbst von seiner Narrheit zurückkommen. Wie er sich aber erfrechte, sich gegen mich erklären zu wollen, und sich weinend mir zu Füßen warf, hielt ich mir die Ohren zu, um sein unverschämtes Flehen nicht hören zu müssen, ließ ihn liegen, und lief her, um es dir anzuzeigen. Siehe nun selbst, wie du diesen Menschen gebührend züchtigen willst.

3. Jupiter. Der Verruchte! Das mir? Nach Juno’s Umarmung zu trachten? Bis zu diesem Wahnsinn konnte ihn der Nektar berauschen? – Aber so ist’s: wir sind selbst Schuld: warum halten wir kein Maß in unserer Menschenliebe, und lassen sie sogar an unserer Tafel sitzen? Ist es ihnen zu verdenken, wenn sie bei einem Wein wie der unsrige, und beim Anblick himmlischer Schönheiten, dergleichen sie auf ihrer Erde nie zu Gesichte kriegen, von Liebe und Begierde überwältigt werden? Die Liebe aber – ist sie doch stark genug, nicht nur Sterbliche, sondern bisweilen uns selbst zu überwältigen.

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0133.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)