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und, von Trauer und Sehnsucht getrieben, die ganze Erde durchirrt, ohne ihn finden zu können, bis der Götter Wille sie in einen Vogel verwandelte, in welcher Gestalt sie nun über alle Meere fliegt, um ihn zu suchen.

2. Chärephon. Das wäre also der berühmte Halcyon? Seine Stimme hatte ich noch nie gehört; sie ist meinen Ohren ganz neu; aber in der That haben die Töne etwas wehmüthig süßes. Wie groß ist denn das Thierchen, Sokrates?

Sokrates. Es ist nicht groß: wohl aber ist die Ehre groß, die ihm die Götter zur Belohnung seiner Gattenliebe angethan haben. Denn so lange es brütet, feiert die Natur die sogenannten Halcyonischen Tage, die sich mitten im Winter durch das heiterste Wetter auszeichnen, und von welchen der heutige einer der schönsten ist. Siehest du, wie rein und blau bis Luft, wie ruhig, wellenlos und spiegelhell das Meer ist?

Chärephon. Du hast Recht: der heutige ist ein wahrer halcyonischer Tag, und der gestrige war es nicht minder. – Aber sage mir doch, um der Götter willen, Sokrates, hat man denn solche Sagen, dergleichen du vorhin eine erzähltest, für wahr zu halten, daß jemals aus Vögeln Weiber, und aus Weibern Vögel geworden seyen? Ich sollte meinen, dieß wäre das Unmöglichste.

3. Sokrates. Mein lieber Chärephon, wir Menschen können wohl nur kurzsichtige Beurtheiler des Möglichen und Unmöglichen seyn. Wir urtheilen ja blos nach menschlichem Vermögen, welches nur zu oft weder sehen, noch begreifen, noch glauben kann. Und so erscheint uns gar oft das Leichte schwer, das Erreichbare unerreichbar. Häufig rührt dieß von

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0098.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)