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Timon. Schrey mir nicht, oder du kriegst noch einen dritten. Das müßte sonderbar zugehen, wenn ich unbewaffnet zwei Bataillons Spartaner sollte niedergehauen haben, und könnte so ein einziges hundsfött’sches Männlein nicht zusammenwalken. Wofür hätte ich denn in Olympia gesiegt im Faust- und Ringkampf? –

54. Aber, was sehe ich? Kommt hier nicht Thrasykles, der Philosoph[1]? Wahrhaftig, er ist’s. Wie der Mensch mit vorgestrecktem Barte, mit aufgezogenen Augbraunen, in stolzer Selbstgefälligkeit mit sich selbst spricht, wie er so finster um sich blickt, wie seine Haare auf der Stirne zu Berge stehen – ein leibhafter Boreas oder Triton, dergleichen Zeuxis mahlte. Dieser Mann mit dem einfachen Aeußern, mit dem gravitätischen Gang und bescheidnen Anzug deklamirt des Morgens Wunder wie viel von Tugend, schimpft auf die, welche ihre Freude am Wohlleben haben, und zeigt, wie schön es sey, sich mit Wenigem zu begnügen. Derselbe aber, wenn er nach dem Bade zu einem Gastmahl kommt, fordert alsbald einen großen Becher, und trinkt darauf los; je stärker der Wein, desto lieber; bald ist es, als ob er aus dem Strome der Lethe getrunken hätte; so ganz widerstreitet seine Aufführung jenen des Morgens gehaltenen Vorträgen. Wie ein Habicht fällt er über die Gerichte her, stößt den Nachbar mit dem Ellenbogen weg, hat den Bart mit Brühe besudelt, und schlingt hinunter wie ein hungriger Hund, über den Teller gebückt, als ob er dort „das höchste Gut“ zu finden verhoffte. Endlich schmiert er noch das Letzte recht sorgfältig mit dem Zeigefinger


  1. Der Deutsche substituire: Pfaffe.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0093.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)