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bin, kennt mich Keiner mehr, und sieht mich Keiner mehr von allen denen an, die sich sonst vor mir so tief gebeugt, und an meinem Winke gehangen hatten. Begegne ich einem derselben auf der Straße, so geht er an mir vorüber, wie man an dem durch die Länge der Zeit zusammengefallenen Grabmal eines längst verstorbenen Menschen vorübergeht, dessen Inschrift Niemand liest. Andere, die mich von Ferne erblicken, beugen in eine andere Straße ein, als ob sie sich die Begegnung und den Anblick eines Mannes als Unheil bringend vorstellten, der noch kurz zuvor ihr Retter und Wohlthäter gewesen war.

6. So hat mich denn die Noth auf dieß Feld hinausgetrieben, wo ich mit diesem Felle auf dem Leibe, um einen Tagelohn von vier Obolen den Acker baue, und so nebenher mit meinem Spaten und diesen öden Fluren philosophiere. Was ich dabei gewinne, ist doch wenigstens das, daß ich die Menge Menschen nicht mehr sehen muß, die es gut haben, während sie das Gegentheil verdienten. Das ist’s immer, was mich am meisten ärgert. Drum auf, o Sohn des Saturnus und der Rhea, entschüttle dich einmal deinem tiefen und langen Schlafe; denn bereits hast du ja länger als Epimenides[1] geschlummert; fache wieder deinen Blitzstrahl an, oder entzünde ihn am Aetna, und zeige uns in einem gewaltigen Zornfeuer wieder den mannhaften, kraftvollen und ungealterten Jupiter – wo nicht, so wird für wahr gelten, was die Cretenser von dir und deinem dortigen Grabe fabeln.


  1. Der nach einer cretensischen Sage in einer Höhle vierzig, nach Andern sieben und fünfzig Jahre an einem fort schlief.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0063.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)