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sondern fallen oft schon in der Mitte des Weges matt zur Erde, oder wenn sie auch das Ziel erreichen, so ritzen sie nur leicht dessen Oberfläche, ohne eine tiefe Wunde zu verursachen.

37. Wer aber ein tüchtiger Schütze ist, und meinem Nigrinus gleich, der wird zuvor genau sein Ziel untersuchen, ob es sehr weich, oder aber hart, und härter als der Pfeil selbst ist. Denn es giebt sogar solche, denen gar keine Wunde beigebracht wird. Wenn er nun hierüber Gewißheit hat, so taucht er sein Geschoß – nicht in Gift, wie die Scythen, noch in den Milchsaft des Feigenbaums, wie die Creter thun – sondern in einen sanftbeissenden und zugleich wohlthuenden Balsam, und sendet es dann mit sicherer Hand ab. Dieser Pfeil, mit gehöriger Kraft abgeschossen, trifft und dringt ein, um zu haften, und seinen Balsam reichlich zu ergießen. Während nun derselbe sanft zerrinnt und seine Kraft durch das ganze Herz verbreitet, entquellen jene Thränen der Wehmuth und Wonne, die auch ich vergossen, den Augen des Zuhörers. – Es drang mich, die Worte des Dichters ihm zuzurufen:

O triff immer so fort, denn jeder Pfeil ist ein Lichtstrahl![1]

Wie aber nicht Alle, welche die Phrygische Flöte vernehmen, begeistert werden, sondern nur in denen, die je einmal von der Göttin[2] ergriffen worden, die alte Begeisterung wieder


  1. Homers Iliade VIII, 282. von Wieland nachgebildet.
  2. Der Phrygischen Göttin Cybele oder Rhea, deren Priester, die Corybanten, beim Schalle lärmender Instrumente, von heiliger Wuth ergriffen, ihre Gottheit mit wilden Tänzen feierten.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0058.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)