Seite:Loos Sämtliche Schriften.pdf/73

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

für die reichen und für die fremden. Aber das gros des volkes kennt sie nicht.

Eine wohnung ohne badezimmer! In Amerika eine unmöglichkeit. Der gedanke, daß es am ende des neunzehnten jahrhunderts ein land von millionen gibt, dessen einwohner nicht alle täglich baden können, erscheint amerikanern ungeheuerlich. Daher kann man auch in den niedersten vierteln New Yorks um zehn cents im massenquartier reinlicher und angenehmer schlafen als in unserem dorfgasthause. Daher gibt es in Amerika nur einen einzigen wartesaal für alle klassen, in dem auch bei dem größten andrange nicht der geringste geruch zu verspüren ist.

In den dreißiger jahren tat einer vom jungen Deutschland – es war Laube in den „kriegern“ – einen großen ausspruch: Deutschland gehört ins bad.[H 1] Bedenken wir doch recht: eigentlich brauchen wir gar keine kunst. Wir haben ja noch nicht einmal eine kultur. Hier könnte der staat rettend eingreifen. Statt das pferd beim schwanz aufzuzäumen, statt das geld auf die erzeugung von kunst zu verwenden, versuche man es mit der erzeugung einer kultur. Neben akademien baue man badeanstalten und neben professoren stelle man bademeister an. Eine höhere kultur hat dann schon eine höhere kunst zur folge, die, wenn sie sich offenbaren will, ohne hilfe des staates zutage tritt.

Aber der deutsche – ich denke nur an die große allgemeinheit – verbraucht zu wenig wasser für den körper und für das haus. Er tut es nur, wenn er muß, wenn ihm gesagt wird, daß es seiner gesundheit zuträglich ist. Ein schlauer bauer in Schlesien und ein schlauer geistlicher herr in den bayrischen bergen haben das wasser

Anmerkungen (H)

  1. [451] „die krieger“ heißt das zweite buch des erstlingswerks Heinrich Laubes „das junge europa“, roman in drei büchern (1833–1837, der zweite teil 1837 erschienen). Ich konnte das zitat in dem buch nicht finden.
    [WS] Das Zitat „Teutschland geh’ ins Bad“ findet sich in Teil 1, Band 1, „Die Poeten“ Kapitel 13. „Hyppolit an Constantin“, Seite 132 der Erstausgabe 1833 Deutsches Textarchiv. In späteren Ausgaben ist der von Loos angesprochene Zusammenhang noch klarer herausgestellt, siehe z. B. zeno.org ab „Es ist dies etwas, was Ihr Deutschen durchaus nicht lernen wollt, daß das viele Baden etwas Reizendes sei.“
Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/73&oldid=- (Version vom 1.8.2018)