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DAS LUXUSFUHRWERK
(3. juli 1898)


„Neustadt! – aussteigen!“ Es wird ausgestiegen. „Wir wollen aber nach Steffelsdorf.“ – „Ja, dann müssen sie noch etwa zwei stunden mit der post fahren.“ – „Wie, zwei stunden noch herum rumpeln , das ist ja schrecklich“ … Wir sind in Österreich.

„Kingston – aussteigen!“ Auch hier wird ausgestiegen. Man will aber nach Longsdale. – „Ja, dann müssen sie noch zwei stunden mit der post fahren.“ – „Was, noch mit der post, das ist ja herrlich“ … Wir sind in England.

Wir österreicher werden uns denken: das müssen doch wunderbare heilige sein, die am ende des neunzehnten jahrhunderts das hocken in der postkutsche dem fahren auf der bequemen eisenbahn vorziehen. Denken wir aber über uns selbst nach. Wir fahren ja auch im fiaker lieber als in der dampfbahn oder in der elektrischen. Allerdings nur, wo wir gesehen werden. Denn ohne das publikum macht uns auch das schnellste zeugl keine freude. Seien wir ehrlich, gestehen wir das nur ruhig ein.

Dem engländer aber macht schon das fahren an sich freude. Er hat noch herz und sinn für die poesie der landstraße. In der stadt besteigt er ein cab oder hansom nur im notfalle. Selbst die vornehmste lady setzt sich in den omnibus oder die trambahn und ist froh, im sommer einen platz auf der imperiale zu erhalten. Bei uns drückt man sich verschämt in das innere des wagens hinein und ist kreuzunglücklich, wenn einen ein bekannter im omnibus erwischt. Geht’s aber hinaus, dann setzt man sich in die bahn mit all den anderen zusammen.

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)