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Aber von dem steten sichselbstüberwinden aller dieser künstlerischen individualitäten haben unsere gebrauchsgegenstände gar nichts, und ihre form fand keine verbesserungen. Nur darauf wartet jedoch die menschheit. Ich habe mich von diesem jahrmarkt der eitelkeit fern gehalten. Man wird sagen, die trauben seien mir zu sauer gewesen, was ja in gewissem sinne wahr ist. Denn als ich es in Stuttgart versuchte, auch ein haus ausstellen zu dürfen, wurde mir dies rundweg abgeschlagen.*)[1] Ich hätte etwas auszustellen gehabt, nämlich die lösung einer einteilung der wohnzimmer im raum, nicht in der fläche, wie es stockwerk um stockwerk bisher geschah. Ich hätte durch diese erfindung der menschheit viel arbeit und zeit in ihrer entwicklung erspart.**)[2]

Es gibt aber keine entwicklung einmal gelöster dinge. Sie bleiben in der gleichen form durch jahrhunderte, bis

  1. *) Über die ausrede wegen dieser verfügung waren sich die veranstalter der ausstellung nicht einig. In Stuttgart sagten sie, der bürgermeister wäre gegen meine person gewesen. Entrüstetes dementi des bürgermeisters. Dann sprachen sie von platzmangel. Aber in letzter Stunde mußte noch architekt Bourgois einspringen, obwohl der auftraggeber gerne ein Haus von mir gehabt hätte. In Frankfurt am Main meinte der dortige vorstand der ortsgruppe des Deutschen Werkbundes, ich wäre nicht genügend deutschnational. Das ist wohl wahr, in seinem sinne. In diesen kreisen wird mein ausspruch „Warum haben die papua eine kultur und die deutschen keine?“ als antideutsch oder als böser witz gewertet. Daß dieser ausspruch der ausfluß einer blutenden deutschen seele ist, wird man solchen deutschen nicht beibringen können.
  2. **) Denn das ist die große revolution in der architektur: Das lösen eines grundrisses im raum! Vor Immanuel Kant konnte die menschheit noch nicht im raum denken, und die architekten waren gezwungen, die toilette so hoch zu machen wie den saal. Nur durch die teilung in die hälfte konnten sie niedrige räume gewinnen. Und wie es einmal der menschheit gelingen wird, im kubus schach zu spielen, so werden auch die anderen architekten künftig den grundriß im raume lösen.
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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/440&oldid=- (Version vom 1.8.2018)