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Er hatte sich gar nicht geändert, nichts neues vollbracht. Nach dreihundert jahren gibt das publikum dem meister recht.

Es war wirklich kein neuer Rembrandt, nur ein besserer, größerer, gewaltigerer. Und die nachfahren, die das werk Rembrandts durchblättern, können den riß, der von den zeitgenossen im schaffen des meisters so scharf festgestellt wurde, überhaupt nicht sehen. Schon in den knabenzeichnungen ist der ganze Rembrandt enthalten, und wir fragen uns erstaunt, wie es möglich war, daß das revolutionäre dieser bilder so widerspruchslos hingenommen wurde. Aber die krokodile sahen nur das krokodil.

Soll ich andere beispiele anführen? Den weg Beethovens? Hat man vergessen, daß die neunte symphonie mit der taubheit des meisters entschuldigt wurde? Daß dieses werk uns vielleicht für immer verloren gegangen wäre, wenn nicht die franzosen sich für den „verrückt gewordenen“ deutschen meister eingesetzt hätten!

Es werden vielleicht jahrhunderte vergehen müssen, bis die menschen sich darüber wundern werden, worüber sich die zeitgenossen Arnold Schönhergs den kopf zerbrochen haben.

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/403&oldid=- (Version vom 1.8.2018)