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als konsument hat jeder sein leben lang mit architektur zu tun.

Das klassische ornament spielt im zeichenunterricht dieselbe rolle wie die grammatik. Es hätte keinen zweck, latein nach der berlitzmethode zu lehren. Der lateinischen grammatik, und weiter jeder grammatik überhaupt, verdanken wir die zucht der seele, die zucht unseres denkens. Das klassische ornament bringt zucht in die formung unserer gebrauchsgegenstände, züchtet uns und unsere formen, bringt trotz ethnographischer und sprachlicher unterschiede eine gemeinsamkeit der formen und ästhetischen begriffe.

Und es bringt ordnung in unser leben. Der mäander – das genaue zahnrad! Die rosette – die genaue zentrale bohrung, aber auch der richtig gespitzte bleistift!


IV. Kann man diese fragen in der schulpraxis ohne kompromiß und allgemein lösen, oder soll man mit einer allmählichen evolution und einem übergang in verschiedenen individuellen etappen der kulturentwicklung rechnen (stadt–land; kinder–erwachsene; bau-, maschinen-, agrar-, handelsindustrialismus; kleinere handarbeit im hause usw.)?

Alle kinder haben gleich erzogen zu werden. Vor allem darf es keinen unterschied zwischen stadt und land geben. Handarbeiten sind für das leben der frau auf dem lande unbedingt notwendig; aber auch der stadtfrau bedeuten sie manchmal wohltätige erholung in der häuslichen wirtschaftstätigkeit. Der zeichenunterricht ignoriere sowohl die nationale bauerntechnik wie die letztmodernen

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/399&oldid=- (Version vom 1.8.2018)