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von der küche ins speisezimmer gibt es eine menge leere wandflächen, fensterparapete und nischen, die, mit weichen holztüren abgeschlossen, eine viel praktischere möglichkeit für die aufbewahrung von glas und porzellan bieten als das tiefe büfett. Gläser und teller sollen nicht hintereinander aufbewahrt werden.

Noch unmoderner ist die aufbewahrung der kleider in schränken, die als prunk- und prachtstücke im zimmer aufgestellt werden. Man bedenke: Ein schrank ist doch nichts anderes als etwa ein etui für ein wertvolles schmuckstück. Nun vergegenwärtige man sich die dissonanz, die zwischen dem aufbewahrungsort – dem schrank – und unseren modernen kleidern besteht. Der schrank ist geschnitzt und intarsiert, die kleider sind einfach. Zwischen dem armoire des französischen höflings und seinen kleidungsstücken mit brillantknöpfen bestand doch eine verwandtschaft; es gehörte zum geist jener zeit, mit kasten und schränken zu prunken und durch den reichtum des schrankes auf den kostbaren inhalt schließen zu lassen. Aber, hand aufs herz, meine freunde, empfindet ihr nicht ein solches gebaren für den menschen von heute als eine schamlosigkeit?!

Auch die architekten, ich meine die modernen architekten, sollten menschen von heute sein, also moderne menschen. Die herstellung der mobilen möbel überlasse man dem tischler und dem tapezierer. Die machen herrliche möbel. Möbel, die so modern sind wie unsere schuhe und unsere kleider, unsere lederkoffer und unsere automobile. Ach, man kann freilich nicht mit seiner hose protzen und sagen: die ist aus dem weimarer bauhaus!

Die unmodernen menschen sind heute in einer verschwindenden minderzahl. Es sind zumeist architekten.

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/391&oldid=- (Version vom 1.8.2018)