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ABSCHIED VON PETER ALTENBERG
(1919)
Mein lieber Peter,

nun bist du tot, und man hat mich gebeten, etwas über dich zu schreiben. Man erwartet wohl etwas feierliches, große und klangvolle worte, wie sie eben ein freund finden wird angesichts des todes, angesichts ...

Aber ich weiß, mein lieber Peter, du erwartest das nicht von mir. Du warst selbst gegen alles feierliche. In deinen büchern erscheinst du dem leser oft pathetisch. Aber wer einmal den klang deiner stimme gehört hat – oh, welch schöne stimme hast du gehabt! – dem erschien deine schreibweise das natürlichste von der welt, directement nonchalant.

Doch ich soll dich den leuten erklären. Man weiß von dir nur, daß du bei tage schliefst und bei nacht in den vergnügungslokalen herumsaßest.

Also ein lump, einer, der sein geld vergeudet! Aber nein, das warst du nicht; du warst der sparsamste der sparsamen. Jeden morgen, bevor du dich zur ruhe legtest, zähltest du dein geld. Über jeden heller konntest du dir rechenschaft geben. Jeden ersparten groschen trugst du in die sparkasse. Und als du einmal – es war in Gmunden – von einem hoteleinbruch hörtest, da wurde auch der letzte heller deponiert, und du hast folgendes telegramm an deinen bruder aufgegeben:

„Lieber Georg, schicke mir hundert kronen, habe mein ganzes geld auf die postsparkasse getragen und starre nun dem hungertod entgegen.“

Also ein geizhals! Nein, bei gott, das warst du nicht. Stets hattest du eine kleinigkeit für alle die mißhandelten

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/350&oldid=- (Version vom 1.8.2018)