Es wurde mir von sehr autoritativer seite der vorwurf gemacht, daß ich, obwohl ich die heimatliche seite des hauses am Michaelerplatz so sehr hervorhebe, marmor aus Griechenland herbeigeholt habe. Nun, die wiener küche ist wienerisch, obwohl sie gewürze aus dem fernen Orient verwendet, und ein wiener haus kann auch echt und wahr, also wienerisch sein, wenn das kupferdach aus Amerika ist. Aber der einwand ist nicht so einfach abzuweisen. In Wien ein bauwerk in backstein auszuführen, wäre falsch. Aber nicht deshalb, weil wir keinen backstein haben (denn wir haben ihn), sondern weil wir besseres haben, den kalkverputz. In Danzig kann ich wohl die putztechnik verwenden, in Wien darf ich die mauern nicht im rohen zustand lassen. Das material darf ich überall herholen, die technik jederzeit gegen eine bessere vertauschen.
Statt lügnerischen schlagworten wie „heimatkunst“ zu folgen, entschließe man sich doch endlich zu der einzigen wahrheit zurückzukehren, die ich immer verkünde: zur tradition. Man gewöhne sich, zu bauen wie unsere väter gebaut haben, und fürchte nicht, unmodern zu sein. Dem bauern sind wir überlegen. Nicht nur unserer dreschmaschinen, sondern auch unseres wissens und unserer erfahrungen im baufach hat er teilhaftig zu werden. Wir sollen seine führer sein, nicht seine nachäffer.
Das lügnerische getue, das in der bauerntheaterspielerei gipfelt, mit ihren bunten bauernstoffen, die nach rocks-drops-bonbons gezeichnet sind, mit der ganzen unwahren naivtuerei, die gewaltsam stammelt, statt frei zu reden, mit der kindlichen maskerade, die sich schon darin dokumentiert, daß unsere kunstgewerbeschule unter einer leitung steht, die mit recht als größte autorität in
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/342&oldid=- (Version vom 1.8.2018)