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in Hietzing von der kommission laut protokoll mit folgenden worten zurückgewiesen: „Die fassade läßt malerische ausgestaltung vermissen, wie dies in dieser gegend durch anbringung von dächern, türmchen, giebeln und erkern zu geschehen pflegt. Wegen dieser mängel wird die baubewilligung nicht erteilt.“

An höheren stellen denkt man allerdings darüber anders, und die architekten können sich bei der verschandelung der wiener vorstädte nicht auf die baubehörde berufen.

Ich nenne die neue sucht, im stile von Berlin-Grunewald oder München-Dachau zu arbeiten, münchnerei – wienerisch ist anders. Wir haben so viel italienische luft über die alpen herübergeweht bekommen, daß wir wie unsere väter in einem stile bauen sollten, der gegen die außenwelt abschließt. Das haus sei nach außen verschwiegen, im inneren offenbare es seinen ganzen reichtum. Das tun nicht nur die italienischen häuser (bis auf die venezianischen), sondern auch alle deutschen. Nur die französischen, die unseren architekten immer vorschweben, können sich im aufzeigen ihres grundrisses nicht genug tun.

Das dach sei in Österreich flach. Die alpenbewohner haben des windes und des schnees wegen die flachste dachneigung: es ist daher selbstverständlich, daß ihnen unsere heimatkünstler die steilsten dächer hinbauen, solche, die nach jedem schneefall eine gefahr für die bewohner bilden. Das flache dach steigert die schönheit unserer bergwelt, das steile dach verkümmert sie. Ein merkwürdiges beispiel, wie die innere wahrheit auch das ästhetisch richtige zeitigt.

Es wäre noch etwas bezüglich des materials zu sagen.

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/341&oldid=- (Version vom 1.8.2018)