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kindischen versuche der architekten in den letzten vierzig jahren, der natur mit steilen dächern, erkern und anderem rustikalen gejodel entgegen zu kommen, schmählich gescheitert sind. Selbst der Husarentempel hat den charakter des wienerwaldes, aber jeder aussichtsturm im burgruinenstil schändet den berg. Denn der Husarentempel ist wahrheit, und der burgruinenstil lüge. Und die natur kann es nur mit der wahrheit halten.

Statt aber die neuesten errungenschaften unserer kultur und unseres geisteslebens, statt unsere neuen erfindungen und erfahrungen auf das land hinauszubringen, versuchen es die heimatkünstler, die ländliche bauweise in die stadt hineinzutragen. Die bauernhäuser erscheinen diesen herren exotisch, was sie mit dem worte malerisch umschreiben. Malerisch erscheinen die kleidung der bauern, ihr hausrat und ihre häuser nur uns. Die bauern selbst kommen sich gar nicht malerisch vor, auch ihre häuser sind es für sie nicht. Sie haben auch nie malerisch gebaut. Aber die stadtarchitekten tun es nun nicht mehr anders. Malerisch sind unregelmäßige fenster, malerisch die rauhe, die abgeschlagene wand, malerisch die alten dachziegel. Und dies wird in der stadt nach den geboten der heimatkunst alles imitiert. Wir dürfen fünf stockwerke bauen. Aber wir täuschen vor, daß das haus weniger habe – ländlich sittlich – und machen nur vier. Und der fünfte stock? Der steckt im dach und zwar von dachziegeln verdeckt, die mit allen möglichen finessen hundertjährigen gebrauch vortäuschen müssen. Was aber ein echter heimatkünstler ist, der wird auch für das richtige grüne moos sorgen. Auch die hauswurz ist nicht zu vergessen. Und ich sehe schon die zeit kommen, wo unsere geschäfts- und miethäuser, unsere theater-

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/339&oldid=- (Version vom 1.8.2018)