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HEIMATKUNST
(1914)

Die architekten haben mit der reproduktion der alten stile schiffbruch gelitten, sie leiden jetzt, nachdem sie ohne erfolg versucht haben, den stil unserer zeit zu finden, wieder schiffbruch. Und da kommt ihnen das schlagwort „heimatkunst“ als letzter rettungsanker sehr gelegen. Ich hoffe, daß es damit endgültig abgetan ist. Ich hoffe, daß das arsenal des bösen damit endgültig erschöpft ist. Ich hoffe, daß man dann endlich sich auf sich selbst besinnen wird.

Das wort heimat hat einen schönen klang. Und die pflege der heimatlichen bauweise ist eine berechtigte forderung. Kein fremdkörper sollte sich in ein stadtbild hineinwagen dürfen, kein indischer pagodenprunk sich auf dem lande breit machen. Wie aber wird von den heimatkünstlern die frage gelöst? Vor allem soll jeder technische fortschritt aus dem bauwesen für ewige zeiten eliminiert werden. Neue erfindungen, neue erfahrungen sollen nicht verwendet werden, da sie – nun, da sie der heimischen bauweise nicht entsprechen. Ein wahres glück für die heimatkünstler, daß die menschen in der steinzeit noch nicht diese forderung aufstellten, weil wir dann keine heimische bauweise besäßen, und sie dadurch keine lebensbedingungen hätten! Das holzzementdach, eine so epochale errungenschaft, die, wäre sie uns im siebzehnten jahrhundert beschieden worden, von den baukünstlern mit jubelschreien empfangen worden wäre, wird von den heimatkünstlern verneint. Schließlich wissen auch die anderen architekten damit nichts anzufangen. Vor dreihundert jahren, als die italienische bauweise

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/333&oldid=- (Version vom 1.8.2018)