Seite:Loos Sämtliche Schriften.pdf/316

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wohl zwischen vier wänden abtun, aber auf die straße gehöre so etwas nicht!

*

Vielen werden während meiner letzten ausführungen bedenken aufgestiegen sein, bedenken, die sich gegen den vergleich richten, den ich zwischen schneiderei und architektur mache. Die architektur ist doch eine kunst. Zugegeben, einstweilen zugegeben. Aber ist ihnen noch nie die merkwürdige übereinstimmung im äußeren der menschen und im äußeren der häuser aufgefallen? Paßte nicht der gotische stil zur zatteltracht, die allongeperücke zum barock? Aber passen sich unsere heutigen häuser unserer tracht an? Man befürchtet die einförmigkeit? Ja, waren die alten bauten innerhalb einer epoche und innerhalb eines landes nicht auch einförmig? So einförmig, daß es uns möglich ist, sie dank ihrer einförmigkeit nach stilen und ländern, nach völkern und städten zu sichten? Die nervöse eitelkeit war den alten meistern fremd. Die formen hatte die tradition bestimmt. Nicht die formen änderten sie. Sondern die meister waren nicht imstande, die feste, geheiligte, traditionelle form unter allen umständen treu zu verwenden. Neue aufgaben änderten die form, und so wurden die regeln durchbrochen, neue formen entstanden. Aber die menschen der zeit waren einig mit der architektur ihrer zeit. Das neuerstandene haus gefiel allen. Heute gefallen die meisten häuser nur zwei menschen: dem bauherrn und dem architekten.

Das haus hat allen zu gefallen. Zum unterschiede vom kunstwerk, das niemandem zu gefallen hat. Das kunstwerk ist eine privatangelegenheit des künstlers. Das haus ist es nicht. Das kunstwerk wird in die welt gesetzt, ohne daß

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/316&oldid=- (Version vom 1.8.2018)