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der stein auch, der die ufer bildet. Und während der maurer ziegel auf ziegel, stein auf stein fügt, hat der zimmermann seinen platz daneben aufgeschlagen. Lustig klingen die axthiebe. Er macht das dach. Was für ein dach? Ein schönes oder ein häßliches? Er weiß es nicht. Das dach.

Und dann nimmt der tischler das maß für türen und fenster, und es erscheinen alle die anderen und messen und gehen in ihre werkstatt und arbeiten. Und dann rührt der bauer ein großes schaff mit kalkfarbe an und macht das haus schön weiß. Den pinsel aber hebt er auf, denn zu ostern übers jahr wird er wieder gebraucht werden.

Er hat für sich und die seinen und sein vieh ein haus errichten wollen, und das ist ihm gelungen. Genau so wie es seinem nachbarn oder seinem urahn gelang. Wie es jedem tier gelingt, das sich von seinen instinkten leiten läßt. Ist das haus schön? Ja, genau so schön ist es, wie es die rose oder die distel, das pferd oder die kuh sind.

Und ich frage wieder: Warum schändet ein architekt, der gute wie der schlechte, den see? Der architekt hat wie fast jeder stadtbewohner keine kultur. Ihm fehlt die sicherheit des bauern, der kultur besitzt. Der stadtbewohner ist ein entwurzelter.

Ich nenne kultur jene ausgeglichenheit des inneren und äußeren menschen, die allein ein vernünftiges denken und handeln verbürgt. Ich werde demnächst einen vortrag halten: Warum haben die papuas eine kultur und die deutschen keine?

Die geschichte der menschheit hatte bisher noch keine periode der kulturlosigkeit zu verzeichnen. Diese periode zu schaffen war dem stadtmenschen in der zweiten hälfte

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/305&oldid=- (Version vom 1.8.2018)