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ist auch ein kunstwerk. Wer gedenkt nicht der prächtigen kopien alter italienischer meister von Lenbach in der Schack-galerie zu München. Aber der wahren kunst unwürdig sind die bewußten versuche, neue gedanken im stile eines alten meisters zu fassen. Sie mußten daher immer fehlschlagen. Gewiß kann ein moderner künstler durch das fortgesetzte studium einer bestimmten schule, durch eine vorliebe und verehrung für eine bestimmte zeit oder einen bestimmten meister deren art sich so zu eigen machen, daß seine geistesprodukte stark den stempel seiner meister tragen. Ich erinnere nur an den altmeisterlichen ton Lenbachs, an die quattrocento-gestalten der engländer. Nie aber kann der wahre künstler einmal à la Botticelli, das nächstemal à la Tizian und ein andermal à la Raphael Mengs malen.

Wie würde man von einem literaten denken, der heute ein werk im stile Äschylos’, morgen ein gedicht im stile Gerhart Hauptmanns und übermorgen einen schwank im stile Hans Sachs’ dichten würde und noch den traurigen mut besäße, seine impotenz durch das eingeständnis seiner vorbilder zu offenbaren. Und nun denken wir uns eine staatliche dichterschule, in der die künstlerische jugend im zwange einer solchen nachahmungsdoktrin entmannt werden soll, in der das literarische helotentum zum prinzip erhoben wird. Die ganze welt würde die opfer einer solchen methode bedauern. Aber eine solche schule existiert, allerdings nicht für die literatur, sondern für das kunstgewerbe.

An einem gegenstande, den wir kopieren wollen, dürften wir auch nichts ändern. Da wir aber für unsere eigene zeit keine hochachtung empfinden, so fehlt sie uns auch für eine vorhergegangene. Stets haben wir an den

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/28&oldid=- (Version vom 1.8.2018)