Hermann Muthesius, dem wir eine reihe instruktiver bücher über englisches leben und wohnen verdanken, hat die ziele des deutschen werkbundes dargelegt und seine existenz zu begründen versucht. Die ziele sind gut. Aber gerade der deutsche werkbund wird sie nie erreichen.
Gerade der deutsche werkbund nicht. Die mitglieder dieses bundes sind menschen, die versuchen, an die stelle unsrer gegenwärtigen kultur eine andre zu setzen. Warum sie das tun, weiß ich nicht. Aber ich weiß, daß es ihnen nicht gelingen wird. In die speichen des rollenden rades der zeit hat noch niemand mit plumper hand einzugreifen versucht, ohne daß ihm die hand weggerissen wurde.
Wir haben unsere kultur, unsere formen, in denen sich unser leben abspielt, und die gebrauchsgegenstände, die uns dieses leben ermöglichen. Kein mensch, auch kein verein, schuf uns unsere schränke, unsere zigarettendosen, unsere schmuckstücke. Die zeit schuf sie uns. Sie ändern sich von jahr zu jahr, von tag zu tag, von stunde zu stunde. Denn von stunde zu stunde ändern wir uns, unsere anschauungen, unsere gewohnheiten. Und dadurch ändert sich unsere kultur. Aber die leute vom werkbund verwechseln ursache und wirkung. Wir sitzen nicht so, weil ein Tischler einen sessel so oder so konstruiert hat, sondern der tischler macht den sessel so, weil wir so oder so sitzen wollen. Und daher ist – zur freude eines jeden, der unsere kultur liebt, – die tätigkeit des werkbundes wirkungslos.
Man kann die ziele des deutschen werkbundes nach Muthesius in zwei worte fassen: güte der arbeit, schaffung
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/272&oldid=- (Version vom 1.8.2018)