schmutzig macht. Aber er badet heute noch, so wie unsere vorfahren im vierzehnten jahrhundert. Auch auf dem inselreiche haben zwei kulturen nebeneinander durch jahrtausende platz gehabt, die englische und die schottische. Die schottische erwies sich als die stärkere, da sie der germanischen kulturanschauung mehr entspricht. Die engländer sind schotten geworden.
Die engländer sind ackerbauern, die schotten viehzüchter. Der germane fühlt sich am wohlsten im gebirge. Hier behält er seine eigenart am besten. Der pflug kam durch die slawen nach Europa, wie denn auch den pflug in allen germanischen sprachen ein slawisches wort bezeichnet. Er verlangt die ebene, und der mann, der hinter dem pflug geht, braucht hohe stiefel, mit denen man wohl reiten, aber schlecht marschieren kann. Die germanen aber sind ein marschvolk. Der germane trägt den bundschuh. Zu pferde tuts ein leibriemen. Wer aber schnürschuhe trägt und marschiert, braucht hosenträger. Wer reitet, braucht seine knie und schenkel nicht und trägt sie im engen futteral. Wer aber marschiert, der braucht freie knie und weite hosen. Oder am besten gar keine.
In der ebene braucht man glattes tuch, in den bergen rauhes. Die kleidung Werthers ist tot. Sie hatte noch zu viel slawisches. Reithosen und reitstiefel, blauer tuchrock und reithut. Diese kleidung starb daran, daß man sie zur festkleidung bestimmte. Sie wurde zum frackanzug, der in der kultivierten welt das tageslicht scheut, den aber der deutsche professor noch heute zum gaudium der straßenjugend trägt, wenn er zu seinem minister geht.
Doch der neue Werther verblüfft die welt in schnürschuhen und schottischen strümpfen, kniehose und rock aus rauhem stoff. Bis nach hundert jahren der deutsche
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/266&oldid=- (Version vom 1.8.2018)