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empfinden entsprechen, sondern, weil man versucht hat, uns diese richtung aufzudrängen. Man verlasse sich auf das empfinden, das man besaß, bevor Hermann Bahr über diese dinge schrieb.

Reißbrett und brennofen! Eine welt scheidet sie. Hier exaktheit des zirkelschlages, dort die unbestimmtheit des zufalles, des feuers, der menschenträume und das mysterium des werdens.

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Ich schreibe nur für menschen, die modernes empfinden besitzen. Für menschen, die der weltordnung dankbar sind, daß sie heute und nicht in früheren jahrhunderten zu leben haben. Für menschen, die sich in sehnsucht nach der renaissance oder dem rokoko verzehren, schreibe ich nicht. Es gibt solche menschen. Sie weisen immer auf die vergangenen jahrhunderte hin, in denen maler und bildhauer entwürfe für den handwerker geliefert haben. Sie weisen auf die renaissance hin, in der die menschen aus krügen tranken, in die eine ganze amazonenschlacht modelliert oder geschnitten war. Sie weisen auf salzfässer in der form eines schiffes hin, das tritonen halten, wobei dann das ruder als salzlöffel verwendet wurde. Unmoderne menschen. Die liefern dann entwürfe für das handwerk. Oder sie modellieren, wenn sie zufällig von ihren eltern auf die bildhauerschule geschickt wurden, gleich alles selber.

Wollt ihr einen spiegel? Hier ist er: ein nacktes frauenzimmer hält ihn. Wollt ihr ein tintenfaß? Hier ist es: najaden baden um zwei felsenriffe; in einem ist tinte, im anderen streusand. Wollt ihr eine aschenschale? Hier ist sie: eine serpentintänzerin liegt vor euch ausgebreitet

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/256&oldid=- (Version vom 1.8.2018)