schreckliche unmanieren. Stets lecke er sein messer ab und verunreinige damit das salz, das für den ganzen tisch bestimmt sei. Und anderes mehr. Man setzte ihn also wo anders hin. Unter deutsche. Aber deren nationalstolz wuchs nun plötzlich. Denn was sich amerikaner nicht gefallen lassen wollten, wollten sie sich auch nicht bieten lassen. Ein herr aus Berlin nahm daher immer, nachdem sich der unglückliche die suppe gesalzen hatte, das salzfaß, rief den steward und sagte mit lauter stimme und stets mit verständnisvollem schmunzeln: „Wechseln sie das salz um! Es ist wieder verunreinigt worden.“ Milde seelen legten dem jungen manne ostentativ den salzlöffel hin – er merkte aber nichts. Und so kam man zu mir und bat mich, meinen landsmann doch über das nötige aufzuklären. Er war ein lieber mensch. Er fuhr nicht auf. Er wurde flammend rot und hätte am liebsten geweint. Ich aber war froh, daß ich einige jahre vor meiner amerikafahrt in Dresden gelebt hatte, wo es auch in solchen restaurants, in denen studenten mit knappen mitteln verkehren, salzlöffel gibt. Sonst wäre es mir ebenso gegangen. Denn bei uns sind salzlöffel unbekannt.
Der türke nun kann in seiner heimat das reisfleisch mit der hand, der österreicher die sauce mit dem messer zum munde führen. Begeben sich aber türke und österreicher ins abendland, dann müssen sie sich der gabel bedienen. Man umgürte sich auch mit dem ganzen stolze Österreichs oder der Türkei, es verachten uns doch die englischen jünglinge. Und auch die gereiften übrigen bewohner des abendlandes wollen nicht mit uns an einem tische speisen.
Es gibt eine jungtürkische bewegung. Sie rührt von leuten her, die im abendlande gelebt haben und nun
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/235&oldid=- (Version vom 1.8.2018)