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„Ich habe“, begann er hier zaghaft, „gestern meinen geburtstag gefeiert. Meine lieben haben mich mit geschenken förmlich überschüttet. Ich habe sie rufen lassen, lieber herr architekt, damit sie uns ratschläge geben, wie wir die sachen am besten aufstellen könnten.“

Das gesicht des architekten verlängerte sich zusehends. Dann brach er los:

„Wie kommen sie dazu, sich etwas schenken zu lassen?! Habe ich ihnen nicht alles gezeichnet? Habe ich nicht auf alles rücksicht genommen? Sie brauchen nichts mehr. Sie sind komplett!“

„Aber“, erlaubte sich der hausherr zu erwidern, „ich werde mir doch noch etwas kaufen dürfen!“

„Nein, das dürfen sie nicht! Nie und niemals! Das fehlte mir noch. Sachen, die nicht von mir gezeichnet sind? Habe ich nicht genug daran getan, daß ich ihnen den Charpentier gestattete? Die statue, die mir den ganzen ruhm meiner arbeit raubt! Nein, sie dürfen nichts mehr kaufen!“

„Wenn mir aber mein enkerl eine kindergartenarbeit schenkt?“

„Dann dürfen sie sie nicht nehmen!“

Der hausherr war vernichtet. Aber noch gab er sich nicht verloren. Eine idee, jawohl, eine idee!

„Und wenn ich mir in der Secession ein bild kaufen wollte?“ fragte er triumphierend.

„Dann versuchen sie doch, es irgendwo aufzuhängen. Sehen sie denn nicht, daß für nichts mehr platz ist? Sehen sie denn nicht, daß ich für jedes bild, das ich ihnen hergehängt habe, auch einen rahmen auf der wand, auf der mauer dazu komponiert habe? Nicht einmal

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/206&oldid=- (Version vom 1.8.2018)