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dinge, die er lieb gehabt hatte und die er manchmal vermißte. Der große lehnstuhl! Sein vater hatte immer das nachmittagsschläfchen darin gemacht. Die alte uhr! Und die bilder! Aber: die kunst verlangt es! Nur nicht weich werden!

Einmal geschah es, daß er seinen geburtstag feierte. Frau und kinder hatten ihn reich beschenkt. Die sachen gefielen ihm ausnehmend und bereiteten ihm herzliche freude. Bald darauf kam der architekt, um nach dem rechten zu sehen und entscheidungen in schwierigen fragen zu treffen. Er trat in das zimmer. Der hausherr kam ihm freudig entgegen, denn er hatte vieles auf dem herzen. Aber der architekt sah die freude des hausherrn nicht. Er hatte etwas ganz anderes entdeckt und erbleichte. „Was haben sie denn da für hausschuhe an?“, stieß er mühsam hervor.

Der hausherr besah seine bestickten schuhe. Aber er atmete erleichtert auf. Diesmal fühlte er sich ganz unschuldig. Die schuhe waren nämlich nach einem originalentwurfe des architekten gearbeitet worden. Er antwortete daher überlegen:

„Aber herr architekt! Haben sie das schon vergessen? Die schuhe haben sie ja selbst gezeichnet!“

„Gewiß“, donnerte der architekt, „aber für das schlafzimmer. Hier zerreißen sie mit diesen zwei unmöglichen farbflecken die ganze stimmung. Sehen sie denn das nicht ein?“

Der hausherr sah es wohl ein. Er zog rasch die schuhe aus und war zu tod froh, daß der architekt nicht noch seine strümpfe unmöglich fand. Sie gingen ins schlafzimmer, wo der reiche mann wieder seine schuhe anziehen durfte.

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/205&oldid=- (Version vom 1.8.2018)