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Mechanisch griff ich nach der zeitung. Da – was war das! Ich las wie im fieber:

„Scharfe abfuhr!

Der musiksudler von der ‚morgenposaune‘ erfährt sie!
Eine tat des ‚New Yorker bannerträger‘!!!“

Das war erst der kopf, wie man im amerikanischen zeitungsdeutsch sagt, und nun las ich:

„Wir haben häufig auf das schändliche treiben des burschen hingewiesen, der seine totale unkenntnis musikalischer dinge zum schaden des ganzen deutschtums auf der halbinsel Manhattan in der ‚morgenposaune‘ absetzt. Dieser elende skribler ist ein schandfleck im blanken ehrenschilde des deutschen Amerika. Wir standen bisher im kreuzzuge gegen dieses individuum allein da. Mit genugtuung können wir heute konstatieren, daß der ‚New Yorker bannerträger‘ (obwohl sein besitzer der mosaischen konfession angehört) das kreuz genommen hat. Unser bewährter kollege von dieser tapferen zeitung hat die unart und weise jenes subjekts in seinem heutigen opernreferate zu allgemeiner freude aller wahren kunstfreunde trefflich kopiert, an den pranger gestellt und dadurch dem allgemeinen gespötte preisgegeben. Wir glauben, daß die ‚morgenposaune‘ sich von diesem schlage nicht mehr erholen wird. Wir können uns nicht versagen, dieses opernreferat, eine satirische großtat, für unsere leser abzudrucken.“

Und nun folgte mein referat.

Ich tanzte zuerst ein von mir auf der stelle komponiertes bacchanale, warf mich in meinen winterrock, stürzte zur hochbahn und trat dem redakteur meines blattes fast die tür ein. So stürmte ich mit der „staatszeitung“ in der hand dahin. John Smith, der chefredakteur, sah mich erstaunt

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/198&oldid=- (Version vom 1.8.2018)