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bewegt haben, befinden sich unsere schulen im besten falle auf dem standpunkte, auf dem sich die englischen vor zwanzig jahren befanden.

Bleiben wir also dabei, daß die englischen schülerarbeiten besser sind als die unseren. Dann sind wir verpflichtet, die distanz auszugleichen. Wir haben es ja verhältnismäßig leicht. Die engländer, als pfadsucher, urbarmacher und pfadfinder in einer unbekannten richtung und in einem unerschlossenen gebiet, haben zeit verloren. Ohne kraftvergeudung, ohne experimente können wir nun auf den bequemen, ausgetretenen pfaden nachrücken.

Unsere schulen haben den kontakt mit dem leben verloren. Dem schüler wird die gegenwart verleidet: „Oh, wie schön wars doch im mittelalter! Und erst zur renaissancezeit! Da rauschte es von brokaten und knisternden seiden. Hei, wie die pauken wirbelten und nackte frauen im zuge schritten, den könig einzuholen. Und schmuck, und farbe, und wallende federn! Und jetzt? Einfach grauslich. Karrierte anzüge, telefondrähte, pferdebahngeklingel. Aber was geht das uns an? Wir wollen dastehen wie felsen im modernen häßlichen getriebe, mit rauschenden seiden und wallenden federn. Nieder mit dem telefon! Wenns aber sein muß? Dann wollen wir ein kompromiß eingehen. Wir versehen das telefongehäuse mit rokokoornamenten und die hörrohre mit rokokogriffen. Oder gotischen. Oder barocken. Je nach wunsch des bestellers.“ Wie hieß das schlagwort, das in den letzten jahren in der kunstgewerbeschule geprägt wurde? „Alte möbel für moderne bedürfnisse.“

Das „stilvolle“ telefongehäuse blieb uns erspart. Das verdanken wir nur dem umstande, daß das telefon nicht in Deutschland oder in Österreich, sondern in Amerika

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)