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In der ausstellung zeigen sich die gold- und silberschmiede noch durchaus nicht von jenem einfluß frei, der vom stubenring ausgeht; es fehlt an mut der überzeugung. Die schaufenster der kärntnerstraße, des grabens und des kohlmarktes geben uns ein besseres bild vom wiener geschmacke als der silberhof, dessen ausstellung man die furcht anmerkt, „oben“ und unter den anderen kunstgewerblern nicht für voll zu gelten, wenn man nicht „stilvolle“ sachen bringt. Aber immerhin sieht man noch genügend proben von echtem handwerklichen können, von eigener werkstatterfindung, von einer kunst, die wohl einfach ist, aber den vorzug hat, in der werkstatt ihren ursprung zu haben und nicht von außen in diese hineingetragen worden zu sein.

Die lederarbeiter haben es besser. Die sind noch nicht so stark in die abhängigkeit von der kunstgewerbeschule geraten. Ihre internationale anerkennung verdanken sie dem glücklichen umstande, daß der staat es unterlassen hat, eine diesbezügliche fachschule ins leben zu rufen. Die hätte uns noch gefehlt. Der berühmte architekt an der spitze, und dann ade, du alte, tüchtige handwerkstradition! Der reißbrettdilettantismus hätte auch hier von allen formen besitz genommen, wie in den anderen unglücklichen gewerben, die in schulen zugrunde gerichtet wurden. Die ältesten reiseutensilien wären aus alten handschriften und denkmälern rekonstruiert worden, und die österreichische lederindustrie hätte sich mit gotischen koffern, renaissance-hutschachteln und griechischen zigarettentaschen lächerlich machen können. Allerdings erst auf der ausstellung in Chicago, weil es zu einem export dann ja niemals gekommen wäre.

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/17&oldid=- (Version vom 1.8.2018)