aber es sind gepreßte blumen. Sie stellen menschen dar, aber es sind gepreßte menschen. Ein stilisieren, wie geschaffen dazu, die fläche zu dekorieren. Und dabei kann man doch naturalistisch bleiben. Da ist vor allem die stickereitechnik, wie sie jedem, der freude an den naturformen hat, gelegen kommen muß. Es ist jene stickereitechnik, mit der Hermann Obrist, der größte unter den kunststickern der gegenwart, seine erfolge erzielt.
Von einem französischen künstler erzählt die septembernummer der führenden kunstgewerbezeitung „Art et décoration“. René Lalique ist dort ein aufsatz gewidmet. Lalique, der eines der größten goldschmiedehäuser in Paris sein eigen nennt, hat den mut, nur durch die form und nicht durch das material wirken zu wollen. Er verwendet kupfer neben gold und arbeitet weniger mit wertvollen steinen, als mit opalen, achaten und karneolen. Das ist sympathisch. Und doch hat er nicht recht. Trotz der neuen form haben seine sachen nicht geist von unserem geist, sondern gravitieren in das fünfzehnte und sechzehnte jahrhundert. Sie erinnern uns an rauschende seiden und schwere samte, reiches pelzwerk und steife brokate. Es ist die welt Karls V. und Maximilians, des letzten ritters, die vor unserem blicke auftaucht. Aber in der zeit des flatternden leichten seidenkleides, in der zeit der gestärkten hemdbrust und des schwarzen frackes nehmen sich Laliques schmucksachen recht fremd aus. Wem gefielen sie nicht? Wer aber würde sie tragen wollen? Das gefallen daran ist nur platonisch. Unsere zeit verlangt kleinen schmuck – schmuck, der auf möglichst kleinem raume einen möglichst großen wert repräsentiert. Unsere zeit fordert vom schmuck destillierte kostbarkeit, einen extrakt des herrlichen. Deshalb müssen zu unserem
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/169&oldid=- (Version vom 1.8.2018)