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bilderrahmen, schreibzeuge, koffer, taschen, reitpeitschen, stöcke, silbergriffe, feldflaschen, alles, alles glatt, ohne ornamentalen schmuck, die silberwaren höchstens gerieft oder gehämmert. Ich schämte mich dieser arbeiten. Das war kein kunstgewerbe, das war mode! Und mode! Welch schreckliches wort! Für einen echten und rechten kunstgewerbler, der ich damals noch war, das reine schimpfwort.

Gewiß, die wiener kauften solche sachen gern. Den bemühungen der kunstgewerbeschule zum trotz nannte man sie „geschmackvoll“. Vergeblich wurden die schönsten gegenstände der früheren kunstepochen hervorgesucht und zur anfertigung empfohlen. Die gold- und silberschmiede taten schließlich auch, wie ihnen geheißen wurde. Sie ließen sich zeichnungen von den berühmtesten männern anfertigen. Aber die danach gearbeiteten gegenstände waren unverkäuflich. Die wiener blieben eben unverbesserlich. (Anders in Deutschland. Da wurden die portemonnaies und zigarettentaschen mit den schönsten renaissance- und rokoko-ornamenten übersät und fanden reißenden absatz. „Stilvoll“ hieß die losung.) Mühsam konnte man den wiener dazu bewegen, seine wohnungseinrichtung der neuen lehre untertänig zu machen. Aber bei seinen gebrauchsgegenständen und am eigenen leibe folgte er nur seinem eigenen geschmacke, und der fand alle ornamente ordinär.

Damals also war ich noch anderer meinung. Jetzt aber stehe ich nicht an, zu erklären, daß mich damals das dümmste gigerl an geschmack übertroffen hätte. Die scharfe amerikanische und englische luft hat alle voreingenommenheit gegen die erzeugnisse meiner eigenen zeit von mir genommen. Ganz gewissenlose menschen

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)