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musterzeichner Englands und Frankreichs aus derselben epoche. Nehmen wir zum beispiel Thomas Chippendale und Meissonier, den dessinateur Ludwigs XV. Bei diesem finden wir nur entwürfe für des königs prunk- und festräume, für Chippendale ist schon der anspruchslose titel seines kupferstichwerkes charakteristisch: „The gentleman and cabinetmakers’ director, being a collection of designes of householdfurniture“.

Man wird also wohl begreifen, daß in einer sammlung bürgerlicher möbel den engländern der löwenanteil zufallen muß. Haben sie doch sogar manchem deutschen bürgermöbel, das seitdem bei uns vergessen war und jetzt auf dem wege über England zu uns zurückkommt, ein heim bereitet. Dafür gibt es interessante beispiele; eines sei hier erwähnt: der grellrote, lackierte stuhl mit gelbem strohgeflecht, der uns heute so enorm englisch anmutet (sprösselstuhl oder hühnersteige nennt man ihn bei uns spottend), findet sich in zahlreichen deutschen interieurbildern des achtzehnten jahrhunderts, vor allem bei Chodowiecki.

Noch ein anderer umstand macht die große zahl der englischen muster erklärlich. England war auch das erste land, das gegen die imitation zu felde zog. Heute beginnen auch wir langsam gegen sie front zu machen. Falsche brillanten und falsches pelzwerk gelten bei uns, gott sei dank, schon nicht mehr für fein. Wir müssen es unserer weihnachtsausstellung danken, daß sie uns anregt, diese neue lehre auch auf die wohnungseinrichtungen anzuwenden. Wer nicht das geld für einen ledergepreßten stuhl hat, der nehme einfach einen strohsessel. Mancher wird davor zurückschrecken. Ein strohsessel, wie ordinär! Nur zu, meine lieben wiener, ein strohsitz

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/147&oldid=- (Version vom 1.8.2018)