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studiert; haben wir nicht die besten bürgerlichen stücke der gotik, der renaissance, des barock und des empire benützt und nachgeahmt? Haben wir uns nicht stets bürgerlich eingerichtet?

Nein, das haben wir nicht. Unsere frauen und töchter schliefen in betten gleich dem, in dem Marie Antoinette, das unglückliche kaiserkind in Trianon, von glanz, glück und pracht geträumt hat. Der herr fleischhauermeister blickte mit stolz auf ein altdeutsches sofa, dessen motive der wandvertäfelung des prunkzimmers im rathaus zu Bremen entnommen waren und eine kombination eines stückchens derselben – die ganze vertäfelung hätte sich ja zu teuer gestellt – mit einer gepolsterten truhe bildeten. Und im salon eines wohlhabenden börsianers rekeln sich die gäste in fauteuils, die vollständig jenem gleichen, von dem aus einst Napoleon der welt seine gesetze diktiert hat. Sogar das kaiserliche „N“ darf nicht fehlen. Und doch hat der korse diesen thron nur einmal benützt, sonst haben er und seine gäste sich mit weniger anspruchsvollen möbeln begnügt.

Warum ist uns aber der wirkliche bürgerliche hausrat so wenig bekannt? Weil unverhältnismäßig wenig davon auf uns gekommen ist. Denn der bürger brauchte seine möbel auf, er benützte sie täglich, und schließlich heizte er damit ein. Für pracht- und prunkzimmer besaß er kein geld. Und wenn doch ein oder das andere stück sich erhalten hatte, so fand sich selten ein museum, das dem alten haustiere ein asyl gewährte.

Es zeichnete sich eben nicht durch kunstvolle arbeit aus. Und hatte sich da oder dort doch eines ein bescheidenes plätzchen in einer sammlung erobert, so wurde es gewiß übersehen. Ganz anders das fürstenmöbel. Das

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/144&oldid=- (Version vom 1.8.2018)