werden soll. Revolutionen aber kommen immer von unten. Und dieses „unten” ist die werkstatt.
Bei uns herrscht noch die ansicht, daß nur dem der entwurf eines stuhles zugetraut werden kann, der die fünf säulenordnungen in- und auswendig kennt. Ich glaube, ein solcher mann müßte vor allem andern etwas vom sitzen verstehen. Denn von einer säulenordnung kann man für den zu entwerfenden stuhl sicherlich nichts profitieren. Die modellzeichner, die als zeichner für publizistische werke hervorragendes leisten, also eine tätigkeit haben, die doch sicherlich zur graphischen kunst gerechnet werden muß, versagen vollständig, sobald sie eigene entwürfe vorlegen. Unverständnis für das material bei den naturdetails – man beobachte nur die untischlerische profilierung – und ödes kopieren, spranzen nennt es der fachmann, in den dekorativen zeichnungen zu innenräumen, das sind die gemeinsamen merkmale aller drei spezialateliers unserer schule.
Den einzelnen lehrer kann dabei kein vorwurf treffen. Es ist der geist schuld, der über der ganzen anstalt schwebt.
Man müßte das gesagte nur wiederholen, wenn man auf die dekorative malerei zu sprechen käme. Auch hier tüchtige arbeiten, solange die malerei für sich allein spricht. Für das gewerbe sind die besten zeichnungen nichts wert. Naturalistisch gezeichnete kürbisse – um ein beispiel herauszuheben –, fein säuberlich und recht plastisch schattiert, tuns nicht. Besonders wenn sie für eine wandfriestapete unter dem plafond erdacht sind. In einem solchen unglückszimmer würde man nicht stark aufzutreten wagen. Schließlich könnten einem die kürbisse auf den kopf fallen! Für die aufrechterhaltung
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/141&oldid=- (Version vom 1.8.2018)