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entreißen lassen, die natürlich in ihrer art damit umgehen. Buchdruckerarbeit können sie nicht liefern, gerade so wie ein maler wohl einen schuh malen, aber niemals machen kann. Denn, glaubt mir, die schusterarbeit ist gerade so schwer oder so leicht zu erlernen wie die anderen gewerbe alle. Der einzige grund, warum uns die maler noch keine schuhe machen, da sie sich doch schon bald aller werkstätten bemächtigt haben, ist, daß unsere füße empfindlicher sind als unsere augen. Die halten einiges aus.

Es war nicht immer so. Als die menschen noch zartere augen hatten, da verlangte man auch, daß man im lesen und denken nicht durch schlechten druck und schlechtes papier gequält werde. Man gab dem buche nach rechts, links und unten eine angemessene breite weißen papieres, damit die finger, mit denen man das buch gefaßt hält, entsprechend raum hatten. Heute muß man mitten in den druck hineintappen.[1]

Leute, die alles von einem guten buche verlangen, was man von ihm verlangen kann, werden bei uns selten auf ihre rechnung kommen. Das ist um so mehr zu bedauern, als die technische leistungsfähigkeit der wiener firmen auf graphischem gebiete in Europa unerreicht ist. Wo gibt es auf der welt eine firma wie Angerer & Göschl, von deren wichtigkeit man erst im auslande kenntnis erhält? Wir haben uns zu sehr an sie gewöhnt.

Unter den druckern ragt die druckerei von Adolph Holzhausen hervor, die allerdings nur wissenschaftliche werke druckt. Denn es ist merkwürdig: die wissenschaftlichen werke repräsentieren sich fast alle tüchtig und vornehm, während die werke der schönen literatur sich alle nur möglichen verunstaltungen gefallen lassen müssen.

  1. [Anmerkung von Adolf Loos 1931, siehe S. 208–209, er hat nur die Seite angegeben und die Anmerkung nicht exakt platziert.]
    Jetzt, 1931, ist man schon viel weiter! Überall werden bücher gedruckt, die den breiten weißen rand innen im bund haben, was ganz sinnlos ist. Die buchstaben aber sitzen außen ganz am rande an, ja selbst die bilder stehen dort. Man kann sie nicht sehen, weil man den daumen darauflegen muß. Von den konstruktivisten bis zur Wiener Werkstätte eine front, siehe etwa das jubiläumsbuch der Wiener Werkstätte von 1928!
    Über dieses jubiläumsbuch, ein machwerk, das sich selbst das urteil spricht, wäre viel zu sagen. Hier nur soviel:
    1. Die ornamentik ist der von mir sehr verehrten Sonja Delauney entwendet, für bedruckte seide erfunden und dort (meiner these entsprechend, daß ein ding ästhetisch so lange halten soll, wie es physisch hält) sehr am platze.
    2. An stelle des von mir bei allen meinen vorträgen zur allgemeinen erheiterung vorgezeigten und glossierten bestecks von losef Hoffmann ist ein richtigeres und normaleres abgebildet, und dabei steht, so sehe das viel geschmähte besteck der Wiener Werkstätte aus!
    3. Die zitate von Peter Altenberg könnten den eindruck erwecken, daß P. A. ein verehrer der Wiener Werkstätte gewesen ist, und sollen das vielleicht auch. Aus seinen werken kann man aber herauslesen, daß er der größte und ehrlichste feind der Wiener Werkstätte war.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/135&oldid=- (Version vom 1.8.2018)