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BUCHDRUCKER
(23. oktober 1898)


Hier steht ein sessel. Dieser sessel ist ein kunstprodukt. Wenn ich den sessel male, so ist dieser gemalte sessel nur eine abbildung dieses kunstproduktes, also ein kunstwerk aus zweiter hand.

Versuchen wir dasselbe auf buchstaben anzuwenden. Buchstaben können in stein gemeißelt, in bronze gegossen, mit der feder hingeschrieben werden. Man kann mit hilfe von licht und schatten und perspektive stein- und bronzebuchstaben zu papier bringen. Das sind aber nur abbildungen von buchstaben, nicht buchstaben selbst. Die buchstaben für das papier haben keine anderen dimensionen als die der druckerschwärze.

Es gibt tischler, denen es freude macht, möbel zu verfertigen, die nur für vorlagenwerke taugen. So gibt es auch buchdrucker, die ihren stolz dareinsetzen, abbildungen von geschriebenen, gemeißelten und gegossenen worten zu schaffen. Da werden typen gewählt, die prachtvolle schatten werfen, und das ganze wird schließlich noch dadurch herausgehoben, daß es auf eine tafel gesetzt erscheint, welchen effekt rechts und unten angebrachte schattenstriche hervorrufen. Aber damit begnügt man sich nicht. Man versucht auch, reine buchdruckerarbeit nachzubilden. Da läßt man entweder ein blatt papier mit der stecknadel angeheftet oder aufgerissen oder wieder mit einem hineingeknickten eselsohr versehen erscheinen. Hier wird ein schiefgestelltes kartenblatt vorgetäuscht, so daß die buchstaben darauf perspektivisch immer kleiner und kleiner werden müssen, dort

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/132&oldid=- (Version vom 1.8.2018)