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unter dem blicke, in der hand des goldschmiedes. Denn dieser sieht alles in gold. Und je höher ein meister steigt, desto mehr verliert er das, was ihm von der werkstatt anhaftet. Er kommt der natur immer näher und näher, bis er endlich die werkstatt überwunden hat. Die gräser, farne, käfer, schmetterlinge und eidechsen am aufsatze von Wenzel Jamnitzer in Rothschilds besitz gleichen naturabgüssen. Und so stellen sich die arbeit des handwerkers und die des künstlers als ein großer kampf zwischen material und natur dar. Der zeichenlehrer aber lehrt: „Hauptsache ist das stilisieren. Die regeln dafür werde ich in der nächsten stunde vortragen.“

Zelezny hat nicht stilisiert. Er ist der meister mit dem blick, dem alles in holz sich formt, mit der hand, die alles in holz bildet, der künstler, der nicht erst seine blumen und blätter auf dem reißbrett verstümmelt. Er schafft direkt im holz, und dadurch erhält sein ornament jene frische und jenes selbstbewußtsein, das allen werken des genius eigen ist. Das ist nicht die sklavenarbeit der antike, die imstande war, ein und dasselbe ornament, perlenschnur und eierstab, kilometerweise zu liefern; das ist die arbeit des freien arbeiters am ende des neunzehnten jahrhunderts, der aus freude an der eigenen arbeit schafft, schnell schafft und viel schafft.


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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/131&oldid=- (Version vom 1.8.2018)