zum aufgeben der eigenen persönlichkeit. Aber denen, die sich an den alten wissentlich vergreifen, sei ein energisches „hands off!“ zugerufen.
Man wird einwenden, daß es nicht gut getan ist, auch das zu kopieren, was den alten meistern anders zu machen nicht möglich war. Das glas etwa war schlecht und bestand nur aus kleinen stücken. Der große alte meister hätte, wenn ihm unsere hochentwickelte glasindustrie zur verfügung gestanden wäre, von ihren besseren produkten gebrauch gemacht.
Gewiß hätte er das. Dann hätte er aber auch einen anderen vorwurf für ein glasgemälde gewählt, dann hätte er auch einen anderen entwurf angefertigt. Stets hat man mit solchen vermeintlichen verbesserungen schiffbruch gelitten. Die alten figuren und die alte anordnung passen nur für das damals verwendete material, und wenn man modernes glas anwenden will, muß man auch moderne figuren zeichnen. Mißfällt einem etwas an dem alten meister, dann lasse man ihn ganz in ruhe. Größenwahn ist es aber, ihn verbessern zu wollen.
Man wird es in manchen kreisen nicht gerne sehen, daß ich dem kopieren das wort rede. Andere jahrhunderte haben auch nicht kopiert. Das ist unserer zeit vorbehalten gewesen. Das kopieren, das nachahmen alter stilformen ist eine folge unserer sozialen verhältnisse, die mit denen der vorigen jahrhunderte nichts gemein haben.
Die französische revolution hat den bürger frei gemacht. Nichts konnte ihn davon abhalten, geld zu erwerben und von dem gelde jeden beliebigen gebrauch zu machen. Er konnte denselben gebrauch davon machen wie der adelige, ja der könig sogar. Er konnte in goldenen kutschen fahren, seidenstrümpfe tragen und schlösser
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/121&oldid=- (Version vom 1.8.2018)