Seite:Loos Sämtliche Schriften.pdf/119

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Man muß dies aussprechen, wenn man, wie ich, mit anonymen sendungen überschwemmt wird, die gewöhnlich die „verdächtigung“ aussprechen, daß der von mir günstig besprochene geschäftsmann seine waren nicht selbst herstelle. Selbst wenn ich in diesem umstande etwas ungehöriges erblicken würde – ich tue es nicht –, könnte ich mich doch nicht damit befassen, die provenienz der waren nachzuprüfen. Ich bin kein detektiv. Mir ist es gleichgültig, wo sie entstanden sind. Hauptsache ist, daß der geschäftsmann diese waren in dieser ausführung zu liefern imstande ist. Ob er nun eine eigene werkstätte hält oder die arbeit auf einige fremde werkstätten verteilt, ist für die objekte gleichgültig. Nur diesen gelten meine besprechungen.

Daß man bei den zahlreichen ausstellern für damenmode so viel schon fertig gebundene krawatten findet, ist betrübend. Schon beim manne sehen diese maschen recht gewönlich aus. Die halsbinde, die vorne einen knoten oder eine schleife zeigt und hinten zusammengehalten wird, gehört in die rubrik der papierwäsche und der similibrillanten. Ganz schweigen will ich von jenen doppelt um den hals gewundenen krawatten, die diesen schönen effekt mit hilfe eines mit seidenstoff überzogenen stückes pappendeckel und einiger „patente“ zu erreichen suchen, den favorithalsbinden unserer vorstadtelegants. Daß aber unsere wiener mädchen und frauen sich solcher surrogate für das binden einer schleife bedienen, zeigt, daß der oft gerühmte wiener chic im aussterben begriffen ist. Ich wünschte mir ein geschäft in Wien, dessen besitzer jedem, der nach fertigen krawatten fragen sollte, stolz antworten könnte: „Fertige krawatten? Nein! Die führen wir nicht!“[1]

  1. [Anmerkung von Adolf Loos 1931, siehe S. 208, er hat nur die Seite angegeben und die Anmerkung nicht exakt platziert.]
    Der wunsch nach einem geschäft, das keine fertigen krawatten führt, ist längst hundertfach erfüllt!
    Josef Hoffmann sagt im "querschnitt", dezember 1930, von den krawatten mit pappendeckeleinlage, die auch er damals trug und die ich glossiert habe, sie seien selbstgebunden gewesen. Das ist eine lüge. Ich wünschte, wegen dieses vorwurfes geklagt zu werden. Hoffmann meint auch, ich verleumde das andenken Olbrichs dadurch, daß ich ihm vorwerfe, er habe zu diesen pappendeckelkrawatten stilvolle anzüge getragen. Das ist freilich ein vorwurf, den ich Hoffmann beim besten willen nicht machen kann.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/119&oldid=- (Version vom 1.8.2018)