also eine änderung in seiner kleidung herbeizuführen? Es nützte ja doch nichts. Der bauernstand wurde zur kaste, dem bauern jede hoffnung abgeschnitten, diese kaste zu verlassen. Völker, die sich in kasten gesondert haben, haben alle diesen zug gemeinsam, das starre, jahrtausendelange festhalten an der tracht.
Dann wurde der bauer frei. Aber nur äußerlich. Innerlich fühlte er sich doch noch dem städter gegenüber minderwertig. Der war der herr. Die jahrhundertelange knechtschaft lag dem bauern noch zu sehr in den gliedern.
Nun aber kommt eine neue generation. Die hat der tracht den krieg erklärt. Dabei hat sie einen guten verbündeten, die dreschmaschine. Wo diese einmal ihren einzug hält, ist es für immer mit dem malerischen plunder vorbei. Der geht nun dahin, wo er hingehört: in die maskenleihanstalt.
Das sind herzlose worte. Sie müssen aber ausgesprochen werden, weil sich in Österreich aus falscher sentimentalität sogar vereine gebildet haben, die bestrebt sind, dem bauern das brandmal seiner knechtschaft zu erhalten. Und doch wären vereine, die den umgekehrten weg einschlügen, viel notwendiger. Denn von der kleidung, wie sie die großen kulturvölker tragen, sind auch wir städter noch weit entfernt. Äußerlich sehen wir ja ganz passabel aus. Da können wir es schon mit den anderen aufnehmen. Wir können es, wenn wir uns von einem ersten wiener schneider anziehen lassen, zuwege bringen, auf londoner, new-yorker und pekinger pflaster für zivilisierte europäer gehalten zu werden. Wehe uns aber, wenn von uns die bekleidung stück für stück abfiele und wir in der wäsche dastünden! Da würde man gewahr werden, daß wir
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/114&oldid=- (Version vom 1.8.2018)