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bedeutung als bekleidung der mauerfläche klar zutage. Sie erfüllen ihren zweck nach dem prinzipe der bekleidung.

Wie schon eingangs erwähnt, ist die bekleidung älter als die konstruktion. Die gründe für die bekleidung sind mannigfacher art. Bald ist sie schutz gegen die unbill des wetters, wie der ölfarbenanstrich auf holz, eisen oder stein, bald hat sie hygienische gründe, wie bei den glasierten steinen in der toilette zur bedeckung der mauerfläche, bald ist sie mittel zu einer bestimmten wirkung, wie die farbige bemalung der statuen, das tapezieren der wände, das fournieren des holzes. Das prinzip der bekleidung, das zuerst von Semper ausgesprochen wurde, erstreckt sich auch auf die natur. Der mensch ist mit einer haut, der baum mit einer rinde bekleidet.

Aus diesem prinzip der bekleidung stelle ich aber auch ein ganz bestimmtes gesetz auf, das ich das gesetz der bekleidung nenne. Man erschrecke nicht. Gesetze, so heißt es gewöhnlich, machen jeder entwicklung ein ende. Und dann sind ja die alten meister auch ganz gut ohne gesetze ausgekommen. Gewiß. Wo der diebstahl eine unbekannte sache ist, wäre es müßig, auf ihn bezügliche gesetze aufzustellen. Als die materialien, die zur bekleidung verwendet werden, noch nicht imitiert wurden, hatte man keine gesetze nötig. Nun aber scheint es mir hoch an der zeit zu sein.

Das gesetz lautet also: Es muß so gearbeitet werden, daß eine verwechslung des bekleideten materials mit der bekleidung ausgeschlossen ist. Das heißt: holz darf mit jeder farbe angestrichen werden, nur mit einer nicht – der holzfarbe. In einer stadt, deren ausstellungskommission beschloß, alles holz in der rotunde „wie mahagoni“

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/107&oldid=- (Version vom 1.8.2018)