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abknabberten, und machte mich sonst noch beliebt und angenehm. Als ich nun eines Tages dabei ging, allerlei Tiere mit Wegeschnecken zu füttern, stieß ich allseitig auf ablehnende Haltung. Sowohl der Bussard, wie die Krähe, der Storch wie der Marabu, ja sogar das Wildschwein lehnten die Wegeschnecken und zwar die schwarzen nicht minder wie die braunen und sogar die roten höflich aber bestimmt ab, und als der Strauß happig, wie er nun einmal ist, eine überschluckte, flog sie sofort im hohen Bogen wieder aus ihm heraus und der biedere Vogel benahm sich höchst entrüstet und traute mir seitdem nicht mehr über den Weg.

„Merkwürdig!“ dachte ich, und als Jünger der strengen Wissenschaft nicht gesonnen, mich durch Vorurteile abschrecken zu lassen, strich ich mit dem Zeigefinger über eine Schnecke und kostete ein wenig von dem Schleime. Der Erfolg war glänzend; erstens gebärdete ich mich ungefähr so, wie der Strauß, zweitens mußte ich einen Kognak trinken, und als auch das nichts half, einen Bitteren und dann noch einen, drittens verlor ich für drei Tage den Appetit, und viertens die Zuneigung eines sehr hübschen Mädchens, der ich in meiner unglaublichen Torheit von meinem Versuche Mitteilung machte, was zur Folge hatte, daß ich drei Wochen schwer an Dichteritis erkrankte und eine ganze Kommodenschieblade voller Lyrik Lenauscher Art anfertigte, die zum Glück der Nachwelt nicht erhalten blieb, weil besagtes Mädchen nicht das hübscheste in der Gegend war, aber das einzige, das um meine Schneckenleckerei wußte. Auch schien mir bei ruhiger Überlegung der Verlust der Zuneigung jener Jungfrau durch die Feststellung des Ekelgeruches und Übelgeschmackes vollkommen aufgewogen zu sein, und nicht minder die daraus abgeleitete Folgerung, von der ungemeinen Häufigkeit dieses schlüpfrigen Geschöpfes. Immerhin ließ ich es bei dem einen Versuche von Schneckenleckerei bewenden und als ich später las, daß im dreißigjährigen Kriege halbverhungerte Bauern diese Schnecken gegessen

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/85&oldid=- (Version vom 1.8.2018)